(Indisches) Panzernashorn

Sie scheinen Relikte aus uralter Zeit zu sein, noch dazu mit martialischem Aussehen. Hautfalten welche die Oberfläche in Platten einteilen, wie eine Panzerung wirken und Beulen, die an Nieten auf einem Schiffsrumpf erinnern. Und doch sind Panzernashörner (meist) sanfte Riesen, die eine eher gemächliche Gangart bevorzugen und im Zoo bei Pflegerinnen und Pflegern beliebt sind, da sich zu ihnen ein sehr vertrauensvolles, enges Verhältnis aufbauen lässt.

Ihr englischer Name „One-Horned Rhinoceros“ deutet auf einen wichtigen Unterschied zu ihren afrikanischen Verwandten hin. Asiatische Nashörner haben nur ein Horn, während die afrikanischen Vertreter deren zwei tragen. Sie sind mit einer Schulterhöhe von 170 – 190 cm und einem Gewicht von 2,2 – 2,7 t nach Elefanten und Breitmaulnashorn die größten Landsäugetiere. Die Maße gelten für Bullen, Kühe sind etwa ein Viertel leichter und kleiner. Ihr ursprüngliches Verbreitungsgebiet war der gesamte nördliche Indische Subkontinent, also von der Grenze zu Pakistan über die Flussebenen des Ganges und Brahmaputra, Bangladesch, den Süden von Nepal und Bhutan bis zur Grenze nach Burma.  Heute findet man sie nur noch in Schutzgebieten im nordöstlichen Indien (Assam, Westbengalen und Uttar Pradesh) und in den fruchtbaren Ebenen von Nepal. Die folgende Karte zeigt die indischen Schutzgebiete in Assam.

Die meisten Tiere leben in Kaziranga (2400*) und dem Chitwan-Nationalpark (645*) in Nepal. Im Nationalpark Manas, der sowohl auf indischem als auch bhutanischem Gebiet liegt, waren die Tiere praktisch ausgerottet. Durch Wiederansiedlung versucht man die Population zu retten.

Ihr favorisierter Lebensraum sind Feucht- bzw. Sumpfgebiete entlang der Flüsse sowie offene Graslandschaften aber auch lichte Wälder. Hier finden sie durch das bis zu 5 m hohe sogenannte Elefantengras (Familie der Süßgräser) Schutz und Nahrung. Regelrechte Tunnelpfade durchs hohe Gras verbinden die Schlaf-, Futter-, Ruhe- und Badeplätze miteinander. Einen Großteil des Tages verbringen sie mit äsen, aber während der heißesten Zeit des Tages legen sie sich gerne ins Wasser und sie sind sehr gute Schwimmer. Suhlen im Sumpf ist wichtig und gehört wie bei den Elefanten zur Körperpflege.

Die Reviere sind eher klein. Solange genügend Nahrung vorhanden ist sind die Tiere ortstreu. Oftmals überlappen sich die Territorien z.B. durch Überschwemmungen. Obwohl es keine Herdentiere sind, schätzen sie die Anwesenheit von Artgenossen. Das Aufeinandertreffen der Tiere verläuft in der Regel friedlich. Einzig Schlaf- und Weideplätze werden verteidigt. Die dominanten Bullen leben meist alleine, tolerieren aber die Anwesenheit von Weibchen. Junge und alte Bullen sowie Mütter mit ihren Kälbern leben oftmals in Gruppen zusammen. Im Gegensatz zu ihren Verwandten in Afrika markieren Panzernashörner ihr Gebiet mit Urin und einem Sekret aus Duftdrüsen, die sich an den Füssen befindet. Mehrere Tiere benutzen aber den gleichen Ablageplatz für Kot, den sie zu Haufen aufschichten, wobei jedes Tier versucht, seinen Dung zuoberst abzulegen. Diese Dunghaufen dienen jedoch der Kommunikation mit Artgenossen und geben z.B. Auskunft über den Fortpflanzungsstatus der Weibchen. Da die Wechsel im hohen Gras kaum zu sehen sind, dienen die Dunghaufen auch der Orientierung. Panzernashörner haben einen sehr feinen Geruchs- und Hörsinn, dafür sehen sie sehr schlecht.

Wenn ich bei der Beschreibung im ersten Abschnitt von „meist“ sanften Riesen spreche, dann gibt es natürlich Einschränkungen. Bei Kämpfen unter Bullen um Kühe, Müttern mit Kälbern denen Artgenossen – auch weibliche – zu nahe kommen oder bei der Verteidigung von Schlaf- oder Äsungsplätzen geht es äußerst ruppig zu. Sie kämpfen nicht mit dem Horn wie man vermuten könnte, sondern beißen sich und bringen sich so heftige Wunden bei. Gegner und Angreifer werden auch über längere Strecken verfolgt. Auch vor dem Deckakt geht es zur Sache. Der Bulle treibt und bedrängt das Weibchen bis zur Erschöpfung, wird dann vom Weibchen „umgarnt“ bis es nach Stunden zum Deckakt kommt, der etwa eine Stunde dauert.

Kommunikation unter Artgenossen findet aber nicht nur über Duftmarken statt. Panzernashörner verfügen über mindestens 10 unterschiedliche Lautäußerungen.

„Die Nashornmutter lockt ihr Junges durch Blöken. Wenn die Nashörner drohen schnauben sie, indem Luft durch das geschlossene Maul geblasen wird. Wollen sie ihre in der Nähe befindlichen Artgenossen auf eine Gefahr aufmerksam machen, so grunzen sie kurz und abgehackt wie ein Gnu. Diese Laute stoßen sie auch auf der Flucht aus. Wird eine Nashornkuh in der Brunstzeit von einem Bullen getrieben, so gibt das Weibchen ein hohes, wieherndes Fiepen von sich, während der Bulle einen langen Grunzlaut hören lässt, den er auch ausstößt, wenn er einen Rivalen verfolgt. Der Verfolgte lässt in diesem Falle ein langes Fiepen hören, das immer in gleicher Tonlage bleibt. Außerdem gibt es noch einen schnurrenden Laut als Kontaktlaut den die Tiere hören lassen, wenn sie in eine Schlammsuhle oder ein Wasserloch hinein wollen in dem sich schon Artgenossen befinden. Diese antworten mit einem Blubbern indem sie unter Wasser Luft aus Maul oder Nase blasen.“

Ursula und Wolfgang Ullrich (Zoodirektor in Dresden 1950 – 1973) „Im Dschungel der Panzernashörner“ erschienen Neumann Verlag 1962

Panzernashörner und Zoos

Der WWF geht heute von einem Bestand von 2750* Tieren in freier Wildbahn aus. In europäischen Zoos leben etwa 80 Tiere. Bereits 1956 gelang dem Zoo Basel die Erstzucht in menschlicher Obhut. Seitdem werden dort regelmäßig Jungtiere geboren. Das internationale Zuchtbuch wird dort geführt und das Europäische Erhaltungszuchtprogramm (EEP) von Basel koordiniert. Wenn man bedenkt, dass Wolfgang Ullrich und seine Frau Anfang der 1960er Jahre beschlossen nach Assam zu fliegen, um dort einige Monate das Leben dieser Tiere zu studieren, da es bis zu diesem Zeitpunkt darüber kaum oder falsche Informationen gab, ist dieser Zuchterfolg umso höher zu bewerten. Gleichzeitig stimmt es traurig, dass, wie so oft, eine Tierart kurz vor dem Aussterben stand, bevor wir wussten wie sie überhaupt lebt.

Die Haltung von Panzernashörnern stellt hohe Anforderungen an die Zoos. Beispiele:

  • Beschaffenheit des Bodens (die Tiere haben sehr empfindliche Sohlen, da sie im weichen Sumpfgelände leben),
  • Außengehege mit Pool und Schlammsuhle, je nach Anzahl der Tiere teilbar in 3 Bereiche, eigene Futterplätze für jedes Tier,
  • genaue Kenntnisse der Paarungsgewohnheiten – manche Zoos haben die Paarung abgebrochen, da sie befürchteten, dass das Weibchen vom Männchen getötet werden könnte. Das Verhalten der Tiere ändert sich in der Brunst enorm. Bullen bemerken z.B. bis zu eine Woche vorher, dass das Weibchen in die Brunst kommt,
  • und letztendlich ein flexibles Zeitmanagement des Zoos, um beispielsweise Ruhephasen der Tiere nicht durch Training oder Beschäftigung zu stören.

Insgesamt waren die Zoos in den letzten Jahren sehr erfolgreich bei der Haltung und Aufzucht von Panzernashörnern. Ebenso wichtig ist es aber, dass die Zoos durch Artenschutzabgaben ihrer Besucher in die Lage versetzt wurden, lokale Organisationen und deren vielfältige Schutzmaßnahmen zu unterstützen. Vor hundert Jahren waren Panzernashörner fast ausgerottet. Jagd, Wilderei und die Umwandlung von Grasland in Ackerflächen waren dafür verantwortlich. Heute haben sich die Bestände erholt* und man kann optimistisch in die Zukunft blicken, was das Überleben dieser faszinierenden Tierart betrifft.

*Die Zahlen weichen leider erheblich voneinander ab, teils sind es Schätzungen, teils Zählungen die aber nicht immer aktuell sein müssen.

Die folgenden Bilder wurden im Zolli Basel 07/22 aufgenommen. Tarun ist im Mai geboren.

Alle folgenden Bilder wurden im Zolli Basel 10/23 aufgenommen. In der Zwischenzeit war Tican im Sep 22 geboren worden.