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Meeresschildkröten II

Auf einer Konferenz der IUCN in Neu-Delhi in den 1960er Jahren prägte der Senegalese Baba Dioum folgende schlichte Wahrheit:

«In the end, we will conserve only what we love; we will love only what we understand and we will understand only what we are taught.» Am Ende werden wir nur schützen, was wir lieben, wir lieben nur, was wir verstehen, und wir verstehen nur das, was man uns gelehrt hat.

Baba Dioum Neu-Delhi 1968 International Union for Conservation of Nature (IUCN)

Meeresschildkröten werden nicht in Zoos gehalten, einige wenige wie die Grüne Meeresschildkröte findet man allerdings auch in Deutschland in großen Aquarien. Ich glaube jedoch, das, was Baba Dioum gesagt hat, gilt auch für meinen Blog und so stelle ich Euch diese faszinierenden Tiere vor. Grundlage für diesen Beitrag ist ein Vortrag der Meeresbiologin Dr. Christine Figgener, bitte lest auch unter Natur+Wir – die 5.Runde Teil 1.

Heute leben noch 7 Arten von Meeresschildkröten in unseren Meeren. Zwei davon sind endemisch, das bedeutet sie verbringen ihr Leben in einem überschaubaren Gebiet. Fünf Arten durchstreifen die Weltmeere und kommen nur zur Paarung und Eiablage in ihre ursprünglichen Heimatgewässer bzw. -strände. Alle haben jedoch – außer den äußeren Merkmalen – einige Gemeinsamkeiten: ihre Geschichte, die Abhängigkeit von Temperaturen während eines bestimmten Lebensabschnitts und die Bedrohung durch menschliche Einflüsse.

Geschichte/Evolution – ursprünglich werden es wohl an die vierzig verschiedene Arten von Meeresschildkröten gewesen sein, die sich aus Landschildkröten entwickelt und an ein Leben im Wasser angepasst haben. Die ersten waren die Lederschildkröten, die es seit etwa 110 Mio. Jahren gibt. Sie zeichnet ein weicher, lederartiger Rückenpanzer aus. Der Archelon war ein naher Verwandter, ein riesiges Tier mit bis zu 4 m Länge, das vor etwa 72 Mio. Jahren lebte. Die Fundorte der Fossilien liegen in South Dakota und Arkansas, die damals noch mit Wasser bedeckt waren. Zu bewundern ist ein vollständiges Skelett im Naturhistorischen Museum in Wien. Vor 60 Mio. Jahren entwickelten sich die Meeresschildkröten mit einem festen Hornpanzer. Wenn man bedenkt, dass die Dinosaurier vor 66 Mio. Jahren ausgestorben sind, kann man ermessen welch erfolgreiche Strategie den Meeresschildkröten das Überleben bis heute ermöglicht hat. Bis der Mensch in ihrem Leben auftauchte muss man leider einschränken.

Temperaturabhängige Entwicklung – Meeresschildkröten verlassen das Wasser nur zur Eiablage, wobei sie immer an die Strände ihrer eigenen Geburt zurückkehren. Sollten sie jedoch Bedingungen antreffen die eine Eiablage nicht mehr ermöglichen, können sie in einen Bereich von ca. 100 km ausweichen. Die Geschlechtsdefinition ist temperaturabhängig, mit anderen Worten, je nachdem bei welcher Temperatur die Eier im Sand reifen, schlüpft weiblicher oder männlicher Nachwuchs. Es gibt eine Temperaturspanne die für die Entwicklung der Eier entscheidend ist, sie liegt zwischen 24° und 33° Celsius. Eine Temperatur von 29° ergibt ein Verhältnis von 50/50 beiderlei Geschlechts, alles unter 29° führt zu mehr Männchen, alles darüber zu mehr Weibchen. (eine kleine Eselsbrücke: coole Kerle, heiße Mädchen). Die sogenannte termosensitive Zeit (TGD) beginnt etwa im 2. Drittel der Inkubation.

Und nun ahnen wir schon welches Problem der Klimawandel mit erhöhten Temperaturen mit sich bringt. Durch den Temperaturanstieg werden zu wenige coole Kerle geboren, was nichts anderes bedeutet, dass geschlechtsreife Weibchen keine Partner finden werden. Von Temperaturen über 33° möchte ich jetzt noch nicht einmal reden.

Bedrohungen – Um es vorweg zu nehmen, es geht um von Menschen verursachte Bedrohungen. Meeresschildkröten haben ab einem gewissen Alter bzw. einer bestimmten Größe keine natürlichen Feinde. Die Jungtiere haben sowohl an Land als auch im Wasser unzählige Fressfeinde, sodass man schätzt, dass es von 1000 geschlüpften Jungtieren ein Tier bis zur Geschlechtsreife schafft. Eigentlich könnte man denken eine unglaubliche Verschwendung der Natur. Zur Erinnerung – es gibt sie bereits seit 110 Mio. Jahren! Die Strategie der Evolution muss also funktioniert haben.

Wahrscheinlich schon immer hat der Mensch die Tiere gejagt, zunächst nur zum Verzehr später kam dann die Verwendung des Schildpatts dazu, aus dem allerlei modische Accessoires gefertigt wurden.
Heute stehen alle Meeresschildkröten jedoch auf der IUCN-Liste für bedrohte Tiere und das Washingtoner Artenabkommen verbietet jeglichen Handel mit diesen Tieren, Panzern oder Eiern. Da die Eier jedoch als Delikatesse gelten, gibt es einen schwunghaften, illegalen Handel damit. Untersuchungen in Costa Rica mit GPS präparierten künstlichen Eiern haben ergeben, dass der Großteil der Eier in unmittelbarer Nähe der Strände in den Handel und zum Verzehr gelangt. Die Wilderei bedroht allerdings nicht nur die Bestände der Schildkröten. Sie stellen auch eine große Gefahr für die lokal agierenden Naturschützer dar, denn die Banden sind gut organisiert, bewaffnet und schrecken auch vor Mord nicht zurück.
Lichtverschmutzung durch Gebäude oder Straßenbeleuchtung an den Stränden ist ein Hinderungsgrund für die weiblichen Schildkröten, einen Strandabschnitt zur Eiablage aufzusuchen.

Ein Dauerthema seit einigen Jahren in den Medien und bei internationalen Konferenzen ist die zunehmende Vermüllung der Ozeane mit Plastik. Die Zahlen die man liest oder hört sind so gewaltig, dass man sich fragt: „Wie konnte es soweit kommen?“ Meeresschildkröten nehmen Plastik über die Nahrung auf. Aufgrund ihrer Fressgewohnheiten und ihres Verdauungstraktes können sie Plastik im Körper weder zerkleinern noch ausscheiden und so gelangen z.B. Strohhalme in die Atmungsorgane.

Eine weitere Gefahr, die wir vielleicht nicht so auf dem Schirm haben, sind die im Meer treibenden Schleppnetze. Da diese von Fischereischiffen illegal im Meer entsorgt werden, werden sie meist erst dann entdeckt, wenn sie maximalen Schaden unter den Meeresbewohnern angerichtet haben. Weder Delfine, Haie noch Meeresschildkröten sind in der Lage sich daraus zu befreien. Und dann gibt es noch die Gefährdung durch Mikroplastik und Pestizide, die auch uns Menschen betrifft, was wir aber gerne ignorieren.

Meine Meinung: Es ist uns glaube ich allen klar, dass wir einen gehörigen Anteil an diesem Problem haben. Der größte Anteil der heute hergestellten Plastikprodukte sind Essens- und Umverpackungen und die sogenannte Einmalplastik. Eine gute Nachricht kommt nun von der EU. Im November hat die EU ein weitgehendes Exportverbot für Plastikmüll erlassen. Das bedeutet das künftige Exporte in Entwicklungs- und Schwellenländern verboten werden. Zur gesamten Wahrheit gehört aber auch folgendes Beispiel aus Uganda:

: „Laut der jüngsten Studie, die 2022 von Nema in Auftrag gegeben wurde, werden täglich landesweit 600 Tonnen Plastik produziert. Doch nur 40 Prozent davon werden dann im Müll entsorgt. 60 Prozent landen in Straßengräben. Diese (60 Prozent) machen den größten Teil der Verschmutzung unserer Seen und Flüsse, der Verschlechterung unserer Böden und der Unwirksamkeit der Fruchtbarkeit und Produktivität der Landwirtschaft aus“, so Nema-Direktor Barirega Akankwasah. Nema* hat angekündigt, dass die Regierung ab 2024 die nationalen Getränkehersteller dazu verpflichten will, nur noch Glasflaschen zu verkaufen.“

Wochentaz.de Simone Schlindwein 19.11.23 – Umweltverschmutzung im Globalen Süden: Afrika ertrinkt in Plastik.

*Die Nationale Umweltmanagementbehörde (NEMA) ist eine halbautonome Einrichtung, die im Mai 1995 als wichtigste Behörde in Uganda gegründet wurde.

Laut diesem Artikel gelten z.B. Ruanda und Kenia mit ihren Bemühungen Plastik zu vermeiden als Vorzeigeländer. Die ebenfalls im November stattfindende UN Umweltkonferenz konnte in der dritten Sitzung zu diesem Thema keine Beschlüsse fassen:

„Die dritte Verhandlungsrunde für ein weltweit verbindliches Abkommen zur Eindämmung von Plastikmüll ist nach Angaben von Teilnehmern ohne nennenswerte Fortschritte zu Ende gegangen. Die Vertreter der rund 170 UN-Mitgliedsstaaten hätten in den siebentägigen Gesprächen „auf der Stelle getreten“, teilte WWF Deutschland mit. Nach Angaben aus Verhandlungskreisen verhinderten der Iran, Saudi-Arabien, Russland und eine kleine Anzahl an weiteren Erdölförderstaaten Fortschritte bei den Verhandlungen durch eine Vielzahl neuer Vorschläge.“

Zeit-Online vom 20.11.23 – Gespräche zur weltweiten Vermeidung von Plastikmüll enden ergebnislos.

Ich möchte mir auch nicht vorstellen, was passiert, wenn Orkane, Taifune etc. ganze Landstriche am Meer verwüsten wie in jüngster Zeit in Acapulco, New Orleans, Indonesien… Es werden wohl nicht nur organische Stoffe ins Meer gelangen.

Es ist illusorisch anzunehmen, dass die Welt komplett auf Plastik verzichtet, aber Möglichkeiten der Einschränkung gibt es und diese müssen von jedem Einzelnen genutzt werden. Große Konzerne müssen endlich in die Pflicht genommen werden und es muss sichergestellt werden, dass das Müllmanagement weltweit verbessert wird.

Das wunderschöne Beitragsbild ganz oben stammt von: Wexor Tmg auf Unsplash