Meeresschildkröten werden nicht in Zoos gehalten, einige wenige wie die Grüne Meeresschildkröte findet man allerdings auch in Deutschland in großen Aquarien. Trotzdem möchte ich Euch diese faszinierenden Tiere vorstellen. Inspiration für diesen Beitrag war ein Vortrag der Meeresbiologin Dr. Christine Figgener, bitte lest auch unter Natur+Wir – die 5.Runde Teil 1.
Lederschildkröte (Dermochelys coriacea) Leatherback Sea Turtle
In der Systematik der Tiere bilden die Lederschildkröten eine eigene Gattung mit dem lat. Namen Demochelys. Sie gehören somit eigentlich nicht zu den Meeresschildkröten (Chelonia) obwohl wir sie so bezeichnen. Grund dafür ist eine getrennt evolutionäre Entwicklung. Lederschildkröten haben keinen festen Panzer. Ihr Rücken ist mit mosaikartigem Knorpel bedeckt und mit einer lederartigen Haut überzogen und somit eher weich. Sie erreichen beeindruckende Maße von 1,30 – 1,75 m Länge und ein Gewicht von durchschnittlich 300-600 kg. Ein riesiges Exemplar wurde an einem Strand in Wales gefunden. Der Panzer (Carapax) maß stolze 2,56m und sie wog 916 kg.
Lederschildkröten sind Nahrungsspezialisten die ausschließlich von Quallen leben. Ihre Nahrungsgebiete sind die nördlichen Gewässer im Atlantik und Pazifik. Diese verlassen sie zur Paarung. Männchen und Weibchen treffen sich alle 2-3 Jahre an den Küsten der Tropen und Subtropen, paaren sich dort und die Weibchen legen die Eier an den Sandstränden ab. Dabei graben sie 5-7 Gelege mit jeweils 80-120 Eiern. Es sind weltweit etwa 64 Niststrände bekannt. Nach etwa 60 Tagen schlüpfen die jungen Schildkröten fast zeitgleich und beginnen ihre gefährliche Reise ins offene Meer. Die Geschlechtsreife erreichen sie mit 15-25 Jahren. Um zu verdeutlichen, welche unglaublichen Leistung sie vollbringen, muss man sich folgendes Beispiel vor Augen führen. Ein Teil der Tiere der westpazifischen Population schwimmt von den Niststränden in Indonesien über den gesamten Pazifik fast 11.300 km weit zu ihren Nahrungsgründen vor der US-Westküste. Sie benötigen dafür bis zu einem Jahr und bleiben dort etwa fünf Jahre. Dann schwimmen sie wieder zurück. Diese langen Rundreisen unternehmen sie mehrfach in ihrem Leben. Außerdem sind Lederschildkröten in der Lage bis zu 1300 m tief zu tauchen.
Echte Karettschildkröte (Eretmochelys imbricata/bissa) Hawksbill Sea Turtle
Mit 75-90 cm und einem Gewicht von 45-75 kg wären sie eine eher unauffällige Spezies. Ihr Problem ist allerdings, dass sie einen Panzer tragen der zu hübsch ist. Der Panzer besteht aus überlappenden Hornplatten die ein wunderschöne Zeichnung haben. Diese sind als Schildpatt bekannt und haben dazu geführt, dass Echte Karettschildkröten jahrhundertelang gejagt wurden. Ihr englischer Name Hawksbill (Habichtschnabel) leitet sich von ihrem gebogenen Schnabel ab, der an einen Greifvogelschnabel erinnert. Mit diesem „Schnabel“ kann die Schildkröte ihre Hauptnahrung Schwämme und weiche Korallen von den Riffen kratzen. Aufgrund der Nahrungsspezialisierung ist sie auf Korallenriffe angewiesen. Wahrscheinlich ist dies der Grund warum sie weniger wandert als andere Meeresschildkröten.
Es gibt zwei Unterarten. Die Pazifische Karettschildkröte lebt überwiegend nördlich von Madagaskar, im Malaiischen Archipel und vor der Nordostküste Australiens, während die atlantischen Vertreter in der Karibik ihr Zuhause haben. Die Paarungs- und Nistzeit der karibischen Population ist von Juni bis November. Weibchen legen im Durchschnitt drei bis vier Nester mit 100 bis 200 Eiern an. Die Jungtiere schlüpfen nach 55 bis 65 Tagen. Die Geschlechtsreife erreichen sie mit etwa 25 – 30 Jahren.
Grüne Meeresschildkröte (Chelonia mydas/japonica) Green Sea Turtle
Die einen sind zu hübsch die anderen zu wohlschmeckend. Die Grüne Meeresschildkröten wurde von Seefahrern deshalb Suppenschildkröten genannt. Sie wurden als lebender Proviant auf Schiffe genommen, wo sie letztendlich in den Suppenkochtöpfen der Schiffsköche landeten. Sie hatte das Pech, dass man sie überall in den tropischen und subtropischen Gewässern und im Mittelmeer antraf. Das perfekte Nahrungsergänzungsmittel. Daher steht sie auf der Roten Liste der IUCN leider unter stark gefährdet. Ihr eigentlicher Name wird von einem Körperfett abgeleitet, das Knorpel und Körper (nicht den Panzer) grünlich färbt.
Mit einer Größe von 80-120 cm und einem Gewicht von 120-220 kg sind sie die größten Meeresschildkröten (Chelonia). Die Jungtiere ernähren sich von fleischlicher Kost, wie kleine Krebse, Würmer, Muscheln etc., während die erwachsenen Tiere Seegras abweiden. Grüne Meeresschildkröten paaren sich sowohl in den Nahrungsgründen als auch entlang von Wanderpfaden und vor den Niststränden. Sie können etwa alle 2 Wochen ein neues Nest graben und das über mehrere Monate, bevor sie wieder zu ihren Nahrungsgründen zurückkehren. Die Nistsaison variiert je nach Lebensraum. Um zu den Niststränden zu kommen, legen einige eine Strecke von mehr als 2500 km zurück. Auch sie werden erst mit 25-45 Jahren geschlechtsreif.
Oliv-Bastardschildkröte (Lepidochelys olivacea) Olive Ridley Sea Turtle
Der deutsche Name klingt nicht besonders freundlich, wer möchte schon Bastard sein. Der Name ist jedoch darauf zurückzuführen, dass man sie früher für Hybride der Grünen Meeresschildkröte und der Unechten Karettschildkröte hielt. Oliv deshalb, weil ihr herzförmiger Panzer eine olivgrüne Farbe hat. Mit einer Körperlänge von 70 cm und einem Gewicht bis 50 kg gehören sie zu den Kleinen ihrer Art. Sie legen große Entfernungen zurück. Mit Hilfe von Satellitenempfängern konnte man dokumentieren, dass sie von den Niststränden in Costa Rica bis in die tiefen Gewässer des Pazifiks schwimmen.. Ihr Verbreitungsgebiet sind die tropischen Regionen des Pazifischen, Indischen und Atlantischen Ozeans.
Sie gehören eigentlich zu den häufig vorkommenden Meeresschildkröten. Allerdings werden sie als Fleischlieferanten immer noch stark bejagt und ihre Nester (von Menschen) geplündert. Das hat wahrscheinlich auch mit ihrem Nistverhalten zu tun. Oliv-Bastardschildkröten zeigen, ähnlich wie ihre Verwandten, die Atlantischen Bastardschildkröten, das wohl außergewöhnlichste Nistverhalten unter den Meeresschildkröten. Während andere Arten einzeln und unkoordiniert an die Strände kommen, versammeln sich Bastardschildkröten zu mehreren Tausend, um dann gemeinsam zu nisten. Sie nisten in fast 60 Ländern, jedes Jahr, ein- bis dreimal pro Saison. In Mittelamerika wird diese synchronisierte Massenanlandung „Arribada“ (spanisch Ankunft) genannt. Es ist nicht bekannt, was dieses Verhalten auslöst und wie die Tiere es schaffen, pünktlich an ihrem Niststrand einzutreffen.
Karibische Bastardschildkröte (Lepidochelys kempii) Kemp’s Ridley Sea Turtle
Sie sind enge Verwandte der Oliv-Bastardschildkröte, jedoch liegt ihr hauptsächliches Verbreitungsgebiet in der Karibischen See, genauer im Golf von Mexiko. Jungtiere begeben sich jedoch auf eine Reise entlang der amerikanischen Ostküste, wo sie dann auch in Nova Scotia anzutreffen sind. Einzelne Tiere haben es auch schon bis an die Küsten von Frankreich, Irland, Portugal, Madeira, den Azoren und Großbritannien geschafft, weshalb man sie auch Atlantische Bastardschildkröte nennt. Im Gegensatz zu den Jungtieren halten sich männliche Atlantische Bastardschildkröten in vielen verschiedenen Gebieten im Golf von Mexiko auf. Einige Männchen wandern jährlich zwischen Futter- und Brutgebieten hin und her. Andere wiederum wandern überhaupt nicht und paaren sich mit Weibchen, die sie an ihren Futterplätzen oder in der Nähe von Niststränden antreffen. Weibchen wandern von den Nistgebieten in die von der Halbinsel Yucatán über Südflorida bis zum nördlich-zentralen Golf von Mexiko reichenden Futtergebiete.
Sie gehören zu den seltensten Meeresschildkröten und waren in den 1980er Jahren kurz vor dem Aussterben. Das konnte jedoch gerade noch verhindert werden. Wie ihre pazifischen Verwandten sind sie Allesfresser.
Weibchen legen durchschnittlich 2 bis 3 Gelege pro Saison. Dabei kehren sie alle 1 bis 3 Jahre von April bis Juli zum Nisten an den Strand zurück, an dem sie einst das Licht der Welt erblickten. Auch bei ihnen gibt es einen Arribada. Allerdings graben sie ihre Nester während des Tages. Ein Gelege kann bis zu 100 Eier umfassen. Die Schlüpflinge graben sich nach ca.50-60 Tagen aus dem Sand.
Wallriffschildkröte (Natator depressus) Flatback Sea Turtle
Von allen Meeresschildkröten haben Wallriffschildkröten das kleinste Verbreitungsgebiet. Sie leben in den nördlichen Gewässern des australischen Kontinentalschelfs bis zur Küste von Papua-Neuguinea. Sie nisten nur an wenigen Stränden, die ausschließlich in Nordaustralien liegen. Während die anderen Meeresschildkröten einen großen Teil ihres Lebens im offenen Ozean verbringen, bleiben Wallriffschildkröten in Gewässern, die selten tiefer als 200 m sind.
Sie werden etwa 1 m groß, 70-90 kg schwer und sind leicht an ihrem abgeflachten Rückenpanzer zu erkennen. Daher rührt auch der englische Name „Flatback Sea Turtle“. Ihre Hauptnahrung besteht aus wirbellosen Tieren wie Quallen, Seegurken und anderen.
In der Nistsaison legen Weibchen zwei bis drei Nester an. Mit 50-55 Eiern sind dies zwar die wenigsten aller Meeresschildkröten, dafür sind sie sehr groß und halten eine Temperatur bis 36,5° Celsius aus. Der Schlupf beginnt nach 48-66 Tagen.
Die Tiere sind zwar geschützt, dürfen aber von den Aborigines im Rahmen ihrer traditionellen Jagd genutzt werden.
Unechte Karettschildkröte (Caretta caretta) Loggerhead Sea Turtle
Über manche Namen kann man nur Staunen. Genau so einfallslos wie Suppenschildkröte (s.o.) ist der Name Unechte Karettschildkröte, der nur darauf hinweist, dass man sie früher mit der Echten Karettschildkröte verwechselt hat. Der englische Name Loggerhead könnte nun Schafskopf oder Dummkopf bedeuten, was den Tieren nicht gerecht wäre. Es gibt jedoch eine Übersetzung die vielleicht passt: So wurde der Poller (ein aufrechter Pfosten) im Heck alter Walfangboote zum Darumlegen einer sonst zu schnell auslaufenden Harpunenleine genannt. Es könnte also ein Hinweis auf den ungewöhnlich großen Kopf mit kräftigen Kiefern hindeuten.
Die Unechte Karettschildkröte kann man in allen Ozeanen und im Mittelmeer finden. Die Populationen im Nordpazifik und Mittelmeer gelten als gesichert, andere jedoch als gefährdet.
Sie können eine Länge von 110 cm und ein Gewicht bis 200 kg erreichen. Ihre Rippenschilde haben eine charakteristische rostbraune bis gelbbraune Färbung. Mit den kräftigen Kiefern sind sie in der Lage, ihre Lieblingsspeise Schalentiere wie Muscheln und Schnecken zu knacken.
Unechte Karettschildkröten kommen zur Eiablage einzeln und immer nachts an die Niststrände. Sie bevorzugen relativ schmale, steil abfallende und grob sandige Strände und suchen dabei jeweils Strände des Gebietes auf, wo sie Jahrzehnte zuvor geschlüpft sind. In der Regel nisten die Weibchen alle 2 bis 3 Jahre drei- bis fünfmal pro Saison, wobei ein Nest bis zu 100 Eier enthält. Die Jungen schlüpfen nach etwa 2 Monaten. Dann durchlaufen sie eine Reihe von Entwicklungsstadien bis ins Erwachsenenalter. Dabei nutzen sie unterschiedliche Lebensräume. Schlüpflinge und Jungtiere verbringen die ersten 7 bis 15 Jahre ihres Lebens im offenen Ozean. Dann wandern sie in küstennahe Gebiete, wo sie nach Futter suchen und noch einige Jahre weiter heranwachsen. Um es sich vorstellen zu können: Wenn die Jungtiere nach dem Schlüpfen an den Niststränden in Japan und Australien ihre Reise beginnen, schwimmen sie 13.000 km zu ihren Futterplätzen an die Küsten der Baja California, von Mexiko, Peru und Chile. Dort verbringen sie wahrscheinlich bis zu 20 Jahre. Dann geht es zurück an die Strände ihrer Geburt.